Season 3 Episode 9
Wie sind Merkmale im Lichte der G 1/24 zu interpretieren, die durch ein konkretes Feuerwehrfahrzeug verwirklicht sind?
In dieser ersten von zwei Folgen besprechen Gerd Hübscher und Michael Stadler die Entscheidung T 2027/23 einer Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts aus dem Jahr 2025. Im Mittelpunkt steht eine offenkundige Vorbenutzung, die durch Beweisaufnahme eines vorgefahrenen Feuerwehrfahrzeugs nachgewiesen wurde, und die Frage der Anwendung der G 1/24 auf die Auslegung der Anspruchsmerkmale in Hinblick auf deren Verwirklichung. Die Kapitelmarken enthalten Bilder des Feuerwehrfahrzeugs aus der Beweisaufnahme.
Erfindung
Die Erfindung betrifft ein Steuersystem zur Steuerung einer Drehleiter eines Feuerwehrfahrzeugs, das eine Verarbeitungseinheit (M1) umfasst, die eine Neigung eines Eingabevorrichtung in ein Geschwindigkeitssignal umsetzt. Das Steuersystem weist weiters Bestimmungsmittel (M2) zur Bestimmung einer möglichen Maximalgeschwindigkeit und Begrenzungsmittel (M3), die auf die Auslenkung der Eingabevorrichtung einwirken und von der Maximalgeschwindigkeit abhängig sind.
offenkundige Vorbenutzung
Von der Einsprechenden wurde ein Feuerwehrfahrzeug mit Drehleiter (Baujahr 1987) der Feuerwehr Tauberbischofsheim (kurz Fahrzeug TBH) als offenkundige geltend gemacht. Um die Verwirklichung der Merkmale zu beurteilen, wurde das konkrete Fahrzeug TBH beim EPA vorgefahren und dort der Beweis vor Ort aufgenommen. Der tatsächliche Verkauf, das Nichtvorhandensein einer Geheimhaltungsverpflichtung und die bauliche Übereinstimmung des Fahrzeugs TBH in den wesentlichen Merkmalen konnten vom Einsprechenden nachgewiesen werden.
relevante Merkmale
Für die Diskussion der Auslegung sind folgende Merkmale relevant:
Diskussion des ersten Merkmals M1
Hauptstreitpunkt der Diskussion war die Frage, ob die rein mechanisch bzw. hydraulische Verarbeitungseinheit des Fahrzeugs TBH neuheitsschädlich für M1 ist oder ob M1 bzw. das Streitpatent implizit eine elektronische Verarbeitungseinheit fordert. Von der Einspruchsabteilung und in weiterer Folge von der Beschwerdekammer wurde die Ansicht vertreten, dass auch im Lichte der G 1/24 die Beschreibung nicht einschränkend auf M1 wirkt, da nicht festgelegt wird und damit das Fahrzeug TBH tatsächlich neuheitsschädlich für M1 ist.
Diskussion des zweiten Merkmals M2
Auch hier drehte sich die Diskussion darum, ob es sich bei der Bestimmung der möglichen Maximalgeschwindigkeit um eine - elektronisch ermittelte - Echtzeitkomponente handelt oder ob die Bestimmungsmittel gemäß M2 auch - wie im Fahrzeug TBH statisch durch Einstellschrauben - rein mechanisch ausgebildet sein kann. Die Einspruchsabteilung vertrat - auch hier - den Standpunkt, dass die Beschreibung nicht einschränkend wirkt und das Fahrzeug TBH auch für dieses Merkmal neuheitsschädlich ist.
Wie die Beschwerdekammer das Merkmal M2 ausgelegt hat, die Diskussion von M3 und die weiteren Aspekte der Entscheidung hören Sie in der nächsten Folge des IP Courses Podcast.
weiterführende Links
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