Season 3 Episode 8
Wie sind Eignungsangaben (etwa ZUR) in Verfahrensansprüchen auszulegen?
In dieser Folge besprechen Gerd Hübscher und Fabian Haiböck die Entscheidung T 1931/14 einer Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts aus dem Jahr 2018. Im Mittelpunkt steht das kleine, aber entscheidende Wort „zur“ in Patentansprüchen und seine Bedeutung bei der Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik für Verfahrensansprüche. Die Entscheidung behandelt zentrale Themen der Neuheit und Auslegung von Zweckangaben in Verfahrensansprüchen sowie die Frage, ob Zweckangaben als funktionelle Merkmale anzusehen sind, die eine konkrete Anwendung des Verfahrens betreffen.
Erfindung
Die zugrundeliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Sauerstoff zur Versorgung eines IGCC-Kraftwerks, also eines sogenannten Integrated Gasification Combined Cycle Systems. In einem solchen Kraftwerk wird Kohle zu Synthesegas oxidiert, das anschließend zur Stromerzeugung in einer Gasturbine verbrannt wird. Der dafür benötigte Sauerstoff wird durch eine Luftzerlegungseinheit gewonnen, in der Luft verflüssigt und destilliert wird. Diese Anlagen arbeiten am effizientesten unter Nennlast, verlieren jedoch deutlich an Wirkungsgrad, wenn sie bei schwankendem Strombedarf betrieben werden.
Die Erfindung löst dieses Problem, indem die Luftzerlegung kontinuierlich mit optimaler Effizienz betrieben wird, unabhängig vom momentanen Energiebedarf des Kraftwerks. Wenn weniger Strom benötigt wird, wird überschüssiger Sauerstoff als Flüssigsauerstoff gespeichert; bei steigender Nachfrage wird dieser Flüssigsauerstoff verdampft und dem Prozess wieder zugeführt. Dadurch wird eine flexible und energieeffiziente Sauerstoffversorgung sichergestellt, die sich dynamisch an den Leistungsbedarf der Anlage anpasst.
Verfahren
Bereits im Prüfungsverfahren führte die Patentinhaberin ein Beschwerdeverfahren (T 2289/08) gegen die Zurückweisungsentscheidung der Prüfungsabteilung bevor das Streitpatent erteilt wurde. In weiterer Folge wurde Einspruch eingelegt und das Streitpatent im Einspruchsverfahren widerrufen. Dagegen richtete sich die Beschwerde, die in dieser Folge diskutiert wird.
Eignungsangabe vs. funktionelles Merkmal: Ist ZUR einschränkend?
Im Streit stand letztlich die Frage, ob das Merkmal „zur Versorgung eines IGCC-Kraftwerks“ den Anspruch tatsächlich einschränkt oder nur eine Eignung beschreibt. Die Einsprechende argumentierte, es handle sich lediglich um eine Zweckangabe, die keine technische Beschränkung darstelle. Sie verwies dabei auf die Entscheidung T 304/08, in der eine ähnliche Formulierung als bloße technische Wirkung ohne einschränkende Wirkung angesehen wurde. Die Patentinhaberin hingegen stützte sich auf die Entscheidung T 848/93, in der festgestellt wurde, dass ein Verfahrensmerkmal, das eine konkrete Anwendung beschreibt – dort das Umschmelzen galvanischer Schichten – als funktionales Merkmal und somit als einschränkend zu verstehen ist.
Die Beschwerdekammer stellte klar, dass bei Verfahren zwischen zwei Arten von Zweckangaben zu unterscheiden ist. Einerseits gibt es solche, die die Anwendung oder Verwendung des Verfahrens definieren. Diese sind einschränkend, weil sie zusätzliche Schritte - im Sinne eines funktionellen Merkmals - implizieren, ohne die das Verfahren seinen Zweck nicht erfüllen kann. Andererseits gibt es Zweckangaben, die lediglich eine technische Wirkung beschreiben, die ohnehin beim Durchführen des Verfahrens entsteht. Diese sind nicht einschränkend. Im vorliegenden Fall definiert das Merkmal „zur Versorgung eines IGCC-Kraftwerks“ die konkrete Anwendung des Verfahrens und erfordert zusätzliche technische Maßnahmen – nämlich die Anpassung der Sauerstoffproduktion an den variablen Leistungsbedarf der Kraftwerksanlage.
Die Kammer betonte, dass der Anspruch explizit Schritte enthält, die auf die Leistungsanforderungen des Kraftwerks Be
Published on 1 month ago
If you like Podbriefly.com, please consider donating to support the ongoing development.
Donate