Was sind das nur für Zeiten! Mein guter alter Tucholsky würde sagen, die schreien nach Satire. Eigentlich ist meine heimatliche Region Vogtland – naiv betrachtet – eine beschauliche, schöne, idyllische, wo die Welt noch in Ordnung ist. Doch die große Welt und ihre gemachten Bedrohungen dringen bis hierher vor. Die Kriegsertüchtigungsmaschinerie läuft auf Hochtouren. Der Bürger stellt sich wenig entgegen, ohnmächtig ist er. Folglich freut man sich – so auch im Vogtland – fatalistischerweise lieber darüber, dass eine in Teilen rüstungsorientierte Firma, medial als Raumfahrtunternehmen vorgestellt, in einem der schönsten Orte die Übernahme einer zivilen Firma tätigt. Das wird gefeiert, und auch die Heimatpresse schwärmt. Einwände braucht es keine. Doch! Man sollte deutlich sagen, dass dieser Weg kein guter ist. Ein Zwischenruf von Frank Blenz.
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Die Idylle im Vorkrieg?
Schöneck ist ein schöner Ort. Das Städtchen wird gern Balkon des Vogtlands genannt; denn die Schönecker wie auch die vielen Besucher aus nah und fern haben auf einer Anhöhe – ein elegantes Plateau in Reichweite zum Ortskern – einen einmaligen Blick auf die Umgebung mit sanften Hügeln, Tälern, Feldern, Wäldern und auf das Städtchen selbst, als stünden sie auf einem Balkon. Schöneck ist aber auch ein Ort wie viele, um den die „Zeitenwende“ keinen Bogen macht. Doch keiner regt sich auf, scheint es. Eine in Schieflage geratene zivile Firma, mitten im Stadtzentrum gelegen, wird in diesen Ertüchtigungszeiten vom Bremer Raumfahrt-Unternehmen OHB übernommen. So wird die Zukunft von einigen Menschen dank einer Firma mit Rüstungssparte – Pardon, einer Raumfahrtfirma mit glänzenden Geschäftsaussichten – eine bessere werden. So wird ohne jeden Zweifel dagegen argumentiert. Was soll Schöneck auch dagegen haben? Statt Sorgenfalten auf der Stirn sind lächelnde Gesichter zu sehen und krasse Sprüche von Beteiligten, die sich gegenseitig auf die Schulter klopfen.
Rettung dank vieler Akteure – sogar der Ministerpräsident kommt zur Feier
Es stimmt, die zivile Firma Technisat in Schöneck hätte am Ende des Jahres dichtgemacht – wie viele Firmen, die nicht im Rüstungsgeschäft Kasse machen. Nebenbei, die zivile Produktion Technisats wäre nicht eingestampft, nur weiter ostwärts ins „preiswertere“ Polen verlagert worden. Die Mitarbeiter, allesamt gefragte Fachkräfte, hätten dann ohne Job dagestanden. Jetzt sehen sie nach Monaten des Bangens endlich in eine rosige Zukunft, wird von der Politik und den Medien geschwärmt: dank der üppigen Milliarden-Investitionen in die Kriegsertüchtigung des Landes; dank der Forderungen des Landesvaters, Ministerpräsident Michael Kretschmer, den Osten daran teilhaben zu lassen; dank eines gewieften Professors der Universität der Bundeswehr München, aus dem Vogtland stammend gar, der die Übernahme miteingefädelt hat; dank der Weitsicht der OHB-Führung aus Bremen, die im Osten eine erweiterte Werkbank einrichtet, sich über qualifiziertes Personal freut und über die anstehende Expansion, Umsatzsteigerung, Gewinnmaximierung.
Die freie Heimatpresse darf in dem Lehrstück der in Wahrheit unheimlichen Transformation der zivilisatorischen Gesellschaft in eine wehrhafte, in der Kohle gemacht wird, nicht fehlen. Sie formuliert knapp und knackig den Wandel von ziviler in Rüstungsproduktion: Satelliten statt Radios. Was für eine Entwicklung, rufen Befürworter freudig. Jetzt geht’s los! Statt Dichtmachen kommt eine neue Produktionslinie für eine Rüstungsfirma, statt Radios Satelliten bauen, statt Trauer eine Übernahmefeier! Auch das noch: Sogar Ministerpräsident Michael Kretschmer selbst kommt von Dresden ins schöne Vogtland.
Heimatzeitung „berichtet“ euphorisch
Ministerpräsident Kretschmer hat sicher die eigentümlich beeindruckenden wie auch nachvollziehb
Published on 1 day, 9 hours ago
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