Vom 31. August bis zum 1. September trafen sich die Staatschefs der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) in China zum 25. Gipfel der Organisation – ein bis dahin, ähnlich wie die BRICSplus-Treffen, wenig im Westen beachtetes Ereignis, zumindest offiziell. Dieses Mal jedoch war es anders, und zwar nicht nur, weil der chinesische Präsident Xi als Gastgeber weitereichende Ziele und Projekte verkündete, sondern auch, weil er Staatschefs empfing (Präsident Putin, Nordkoreas Kim Jong-un, den iranischen Präsidenten Pesechkian, den weißrussischen Präsidenten Lukaschenko) und mit diesen in tiefer Vertrautheit kommunizierte, die der Westen als die Verkörperung des Bösen betrachtet: Damit wäre das Bild vom SCO-Gipfel als Hort der „Autokraten“ und „Diktatoren“ ja abgerundet gewesen – wäre da nicht der Konjunktiv „wäre“. Von Alexander Neu.
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Die Realität der internationalen Politik ist in den letzten zehn Jahren komplexer geworden. Die eingeübten klassischen Dichotomisierungen wie zu Zeiten der Ost-West-Konfrontation – dort die „kommunistischen Regime“, hier die „Demokratien“ – oder nach Beendigung des Kalten Krieges – dort die „Autokraten“/„Diktatoren“, hier die „Demokratien“ – funktionieren immer weniger, wenn sie überhaupt als Raster zur Erfassung politischer Realitäten jemals funktioniert haben sollten. Denn am Gipfeltreffen nahm auch der indische Ministerpräsident Modi teil, der Vertreter der – gemessen an der Einwohnerzahl – größten Demokratie der Welt, und zwar nicht als Gast, sondern als Mitglied der SCO seit 2017. Besonders das Verhalten des indischen Ministerpräsidenten stieß im Westen auf Unmut. Er ließ sich mit Alexander Lukaschenko in vertrauter Atmosphäre ablichten. Mehr noch hat ein Bild für besondere Aufmerksamkeit gesorgt: Modi hält die Hand Putins und spricht entspannt mit Xi.
Eigentlich befinden sich Indien und China ungeachtet ihrer gemeinsamen Mitgliedschaften in der SCO sowie in der BRICSplus in einem seit Jahrzehnten bestehenden Dauerkonflikt. Der Abschuss indischer Kampfflugzeuge durch das pakistanische Militär mit chinesischen Raketen im Frühjahr war das jüngste Beispiel dieses angespannten Verhältnisses. Das Bild der drei genannten Staatschefs in trauter Harmonie kontrastiert jedoch massiv mit dem eigentlichen Spannungsverhältnis zwischen Indien und China. Dank des US-Präsidenten Donald Trump, der den Knüppel der Handels- und Sanktionspolitik auch gegen Indien schwingt, was für Indien eine Demütigung darstellt, scheinen sich die Verhältnisse neu zu ordnen, und zwar nach ganz unideologischen und pragmatischen Gesichtspunkten. Politischer Realismus statt ideologischer Scheuklappen, tradierter Feindseligkeiten und Blockdenkens dominiert offensichtlich das Denken und Handeln der Staaten des Nicht-Westens. Hat die Siegerpose des Westens nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und damit einhergehend die kurzsichtige westliche Hybris, insbesondere symbolisiert durch den NATO-Angriffskrieg auf Serbien und die NATO-Osterweiterung entgegen den Versprechungen und Abkommen („Charta von Paris“), Russland immer weiter in die Arme Chinas getrieben, so scheint nun auch das eigentlich nach allen Seiten offene und moderate Indien sich zunehmend China anzunähern.
Ein Blick auf die Weltkarte legt nahe, dass es sinnvoller ist, im regionalen Raum Stabilitäten und Partnerschaften zu pflegen denn interregionale Kooperationen – hier mit den USA – zu priorisieren, die nicht auf Augenhöhe stattfinden und auch auf Kosten der regionalen Stabilität gehen können.
Allein die Anwesenheit Indiens machte es den westlichen Beobachtern aus Politik
Published on 1 day, 15 hours ago
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