Am 5. September veröffentlichte Annalena Baerbock auf ihrem Instagram-Kanal ein kurzes Filmchen im Stil von Carrie Bradshaw in der 90er-Serie „Sex & the City“, das sie beim Beginn ihres „New Yorker Lebens“ als neue Präsidentin der UN-Generalversammlung zeigen soll. Sie winkt munter ein New Yorker Taxi heran, macht sich ein paar Notizen, blickt versonnen auf das großstädtische Treiben aus dem Taxifenster und präsentiert ihre schicken Designer-Stiletto-Pumps beim Aussteigen. Da werden wohl Kleinmädchenträume wahr. Warum das wütend macht und typisch für unsere Zeit ist. Ein Kommentar von Maike Gosch.
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Vor dem Hintergrund, dass die nächste Sitzung der Generalversammlung vielleicht nach Genf verlegt wird, weil die US-amerikanische Regierung der palästinensischen Delegation inklusive dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Mahmoud Abbas, die Visa zur Einreise verweigert hat, passt das natürlich nicht so gut, aber unserem transatlantischen Girlie würde ein Video bei Käsefondue und Uhrshopping sicher den Puls auch nicht so höher schlagen lassen wie diese Erfüllung ihrer Jugendträume: Endlich cool, endlich international, endlich Filmstar. Die Profilierungssucht und Verblendung unserer ehemaligen Außenministerin strahlen in dem Filmchen heller als ihr recht verkrampftes Lächeln. Am schlimmsten ist aber die ungeheure Ignoranz der Annalena Baerbock, die sie mit diesem Social-Media-Auftritt wieder einmal unter Beweis stellt. Auf Englisch gibt es den schönen Ausdruck „tone deaf“ (wörtlich: kein Gehör für Töne) für Menschen, die keinerlei Gespür für die Atmosphäre in dem Umfeld, zu dem sie sprechen, oder zu einem bestimmten Thema haben.
Vor dem Hintergrund des Völkermords in Gaza und der Rolle, die Deutschland (auch unter tatkräftiger Mithilfe von Frau Baerbock) dabei gespielt hat und weiterhin spielt, sowie der zunehmend entsetzten weltweiten Haltung hierzu so ein kindisches, pop-kulturelles und pseudolustiges Video zu veröffentlichen, spricht von einem Ausmaß an Realitätsverleugnung und Selbstverliebtheit, das sich gewaschen hat. Annalena Baerbock macht sich ihre Welt, wie sie ihr gefällt. In dieser Welt geht es nicht um die Mitschuld Deutschlands an einem der schlimmsten Menschenrechtsverbrechen des 21. Jahrhunderts, es geht nicht um die Dekonstruktion des internationalen Rechtssystems durch die Verweigerung der Visa oder die Sanktionierung der UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese für ihre Aufdeckung der Mittäterschaft westlicher Konzerne an den Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit Israels, es geht nicht um eine eskalierende Unzufriedenheit der Bevölkerungen in den westlichen Ländern mit den Entscheidungen ihrer Regierungen – nein, es geht um ‚Girl Power‘. Es geht um schicke Hosenanzüge und coole City-Trips. Das wäre nicht schlimm, wäre Baerbock eine Lifestyle-Influencerin, die politische Themen ausspart, um ihre Sponsoren und Werbekunden nicht zu verlieren. Aber ihr Gebiet IST diese Politik. Man kann nicht beides haben: Ein locker-flockiges Traum-Lifestyle-Leben und eine verantwortungsvolle hohe Rolle in der internationalen Politik. Man (bzw. Frau) muss sich schon entscheiden.
Zur Klarstellung: Ich bin nicht so hart mit ihr, weil sie eine Frau ist. Nein, genau dasselbe (bzw. mit anderen popkulturellen Referenzen wie „Magnum“ oder „James Bond“) würde ich schreiben, wenn sie ein Mann wäre und ein ähnliches Video veröffentlicht und eine ähnliche Politik gemacht hätte. Die Kritik richtet sich nicht gegen ihr Geschlecht, sondern gegen ihre Ignoranz. Es ist nicht lustig, es ist nicht cool, es ist nicht bewundernswert, was sie als Außenministerin in der
Published on 1 day, 14 hours ago
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